Wien
Kaffeehäuser
Kaffeehaus: Demel | © WienTourismus | Fotograf: Peter Rigaud
Kaffeehäuser in Wien

Autor: Gabriela Hamböck

Auf der ersten Silbe betont, bezeichnet Kaffee ein Getränk, auf der zweiten betont, bedeuten Café und Kaffeehaus in Wien und Österreich eine Lebensform , schrieb Hans Weigel 1978. Dieser Satz hat mit Sicherheit bis heute Gültigkeit: Es gibt in Wien mehr als 700 Kaffeehäuser, nicht mitgezählt die zahlreichen Café-Bars, Café-Restaurants und Pizza-Cafés. Darunter befinden sich ungefähr 100 klassische Kaffeehäuser, wo die Bedienung noch schwarz-weiß trägt und die Einrichtung so einfach ist wie in der guten, alten Zeit: Holzboden, Marmortische, simple Sessel und plüschige Bänke ...
Melange, Buchteln und Literatur ...
Für Wien-Besucher ist es eine Attraktion, für Anrainer ein zweites Wohnzimmer, für Künstler und Literaten eine Institution: das Wiener Kaffeehaus.

Jede „Szene“ hat in der Donaumetropole ihr Stammcafé: die Beamten der Ministerien etwa das Café Ministerium am Georg-Coch-Platz, die Kunst-Studenten das Prückel am Stubenring, die Politiker das Landtmann am Dr.-Karl-Lueger-Ring. Im Kaffeehaus wird philosophiert, meditiert, tachiniert, Zeitung gelesen, getratscht, geknutscht, Billard oder Schach gespielt, mit Fremden über Gott und die Welt diskutiert und vieles mehr. Ja, und natürlich auch Kaffee und Kuchen genossen.

Wien wäre eben „eine zum Mittelmeer gewendete, ursprünglich römische Stadt“, erklärte der große Romancier Heimito von Doderer 1960. Deshalb fände man in den Wiener Cafés auch „jene meditative Stille und das zweckfreie Vergehen lassen der Zeit, das jeder kennt, der ein orientalisches, ein türkisches Café besucht hat.“

Tradition und Trubel

In den beliebtesten Kaffeehäusern der Stadt merkt man davon allerdings weniger. Zum Beispiel im Café Central in der Herrengasse und im Griensteidl am Michaelerplatz. Das ehemalige Literatencafé Griensteidl, seit 1990 in einem neuen Haus am alten Platz wiedereröffnet, liegt exakt an der touristischen Pilgermeile Hofburg-Kohlmarkt-Graben-Stephansplatz. Es ist für Wien-Besucher der am meisten geeignete Ort, um müde Füße auszustrecken und sich mit heißem Kaffee wieder auf Touren zu bringen.

Das Café Central – seine große Säulenhalle wurde 1986 aufwendig wiederhergestellt – findet man nur 100 Meter weiter Richtung Uni bzw. Votivkirche. Beide Lokale blicken auf eine lange Tradition zurück. Speziell die Atmosphäre des „alten“ Griensteidl ist legendär: Sieben intensive Jahre, von 1890 bis 1897, war das Café im ehemaligen Palais Dietrichstein Wiens bedeutendste kulturelle „Institution“. Kaum ein namhafter Schriftsteller, Schauspieler, Kritiker, Architekt oder Musiker des Fin de Siècle, der nicht hierher kam. Die bedeutendsten Vordenker der Wiener Moderne gruppierten sich hier fast vollständig um die kleinen Marmortischchen: Hermann Bahr, Arthur Schnitzler, Hugo von Hofmannsthal, Karl Kraus, Hugo Wolf, Fritz Kreisler, Arnold Schönberg und viele andere. Ein „verdichtetes System von Energiekreisen“, schrieb Edward Timms, von dem „erstaunliche schöpferische Energie“ ausging.

1897 fiel das Griensteidl – wie auch die Basteien und zahlreiche Gebäude am Graben und am Neuen Markt – der Spitzhacke zum Opfer. Halb nostalgisch, halb ironisch klagte Karl Kraus in „Die demolierte Literatur“: „Unsere Literatur sieht einer Periode der Obdachlosigkeit entgegen, der Faden der dichterischen Produktion wird grausam abgeschnitten.“ Zum Glück existierten andere Cafés weiter. Die Stammgäste des Griensteidl übersiedelten ins Café Central.

Gutes Benehmen am Stammtisch

Auch heute noch sitzt der Dichter Peter Altenberg als Pappmaschee-Figur im Café Central in der Herrengasse. Dort hatte der schrullige Lebenskünstler im ersten Drittel unseres Jahrhunderts seine Postadresse und seinen Stammtisch, an dem sich u. a. der bedeutende Architekt der Moderne, Adolf Loos, seine Frau Lina, der Schauspieler und Essayist Egon Friedell sowie der Schriftsteller Alfred Polgar einfanden.

Altenberg, dessen kurze Prosatexte und Skizzen Egon Friedell einmal „tausend fächerige Magazine voll kleiner und kleinster Beobachtungen“ nannte, stellte für seinen Stammtisch sogar – nicht ganz ernst gemeinte – Verhaltensregeln auf. So zum Beispiel auch diese: „Das Nägelschneiden bei Tische ist verboten, selbst mit einer eigenen mitgebrachten Schere alten Systems; besonders aber mit der neuartigen Zwickmaschine, da die scharf abgezwickten Nägel dann leicht in die Biergläser springen können, und das Herausfischen mit Schwierigkeiten verbunden ist.“

An ebendiesem Tisch hat die 20jährige Caroline Obertimpfler (Künstlername Lina Loos) – so will es die Legende – dem 12 Jahre älteren Adolf Loos ihr spontanes Ja-Wort gegeben. Lina selbst hielt später in ihrem berühmten „Buch ohne Titel“ der Generation der Jahrhundertwende in unterhaltsamen Feuilletons, Skizzen und Erinnerungen einen Spiegel vor.

Heute ist die Stimmung im Café Central eine geschäftliche, gutbürgerlich, gepflegt: Unter der Woche dominieren die Geschäftsleute der umliegenden Banken das Bild. Am Wochenende umringen Wien-Besucher, Hofratswitwen und pensionierte Kommerzialräte den Pappdichter und lauschen andächtig dem Klavierspiel.



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