Wien
Kaffeehäuser


Kaffeehäuser in Wien

Autor: Gabriela Hamböck

Ebenfalls im ersten Bezirk befindet sich das Café Hawelka. Seine Beliebtheit und sein „Künstlerimage“ gehen auf die Nachkriegszeit zurück: Hans Weigel, selbst Schriftsteller, Talente-Förderer und kulturelle Institution, erkor damals das kleine Kaffeehaus von Leopold und Josefine Hawelka zu seinem Zweitwohnzimmer. Der Grund: Es hatte bis nach Mitternacht geöffnet.
Weigels Vorbild folgten bald andere Schriftsteller, Künstler und Intellektuelle – „nach dem Naturgesetz des Schneeballs oder der Lawine“ (Weigel). Das Hawelka avancierte in den 50er und 60er Jahren zur Wohngemeinschaft der antibürgerlichen Künstleropposition. Es war öffentliches Wohnzimmer für Individualisten, außerdem Ideenbörse und Insel des Unkonventionellen. Kein Wunder, dass Georg Danzer in seinem Song „Jö, schau“ seinen Nackten, über den sich keiner wirklich wundert, im Hawelka auftreten ließ.

Zahlreiche Literaten hatten hier ihren Stammtisch. Vor allem die Wiener Gruppe – H.C. Artmann, Konrad Bayer, Gerhard Rühm und Oswald Wiener – verbrachten hier so manche Nacht. Als einen Ort, ohne den „vieles ungetan, ungesprochen und gar nicht erdacht worden wäre“, sah Artmann das kleine, stets verrauchte Lokal in der Dorotheergasse, in dem sich zum Beispiel auch noch der große Romancier Heimito von Doderer recht wohl gefühlt hatte.

André Heller kam mit 14 Jahren zum ersten Mal hierher und passte sich, so schrieb er 1982, sogleich der Atmosphäre an: Er fabulierte und flunkerte, was das Zeug hielt – von Schriftstellerei und großen Reisen. Und man glaubte ihm.

„Später hatte ich oft das Gefühl“, so Heller, „dass diese ersten Minuten meiner Bekanntschaft mit dem Buchtelolymp bereits alle wesentlichen Zutaten künftiger Hawelkanischer Nächte enthielten: das Geschichtenerzählen, den Selbstbetrug, die Erinnerungssüchtigkeit, das Kritisieren, das Stilisieren. Die Dorotheergasse 6 beherbergt ebenerdig hauptsächlich Leute, die nicht gehalten haben, was sie sich von sich selbst versprachen. ... Beim gütigen Ober gilt man allerdings als das, was man beinahe geworden wäre. Ihm sind Schein und Sein eins – und er kann sich seine Gäste als Bewohner der wirklichen, undunstigen Welt ebenso wenig vorstellen wie jene sich ihn ohne Smoking und speckiges Mascherl.“

Dunstig ist es im Hawelka auch heute noch, doch das Publikum hat sich verändert: An den kleinen Tischen sitzen Schüler, Studenten und Touristen. Die Atmosphäre zwischen den dicken Plakatschichten an den Wänden, der Telefonzelle und den abgewetzten Plüschbänken ist dennoch einmalig. Und die heißen, frischen Buchteln um 22 Uhr sollte man nicht verpassen.

Nicht daheim und doch zu Hause

Nach dem großen Kaffeehaussterben der 60er und 70er Jahre dieses Jahrhunderts wurden in den 80ern und 90ern zahlreiche Cafés im alten Stil restauriert, darunter so bekannte wie das Schwarzenberg am Kärntner Ring oder das Landtmann. Manch anderes Altwiener Café fand sich plötzlich als coole, postmoderne Espresso-Bar wieder, zur Freude der jungen Leute und Szenegänger.

Die Kaffeehäuser mögen sich verändert haben, aber die Gründe, sie zu besuchen, sind die gleichen geblieben. Noch immer ist das Café, wie Stefan Zweig in „Die Welt von gestern“ schrieb, „eine Art demokratischer, jedem für eine billige Schale Kaffee zugänglicher Klub, wo jeder Gast für diesen kleinen Obolus stundenlang sitzen, diskutieren, schreiben, Karten spielen, seine Post empfangen und vor allem eine unbegrenzte Zahl von Zeitungen und Zeitschriften konsumieren kann.“ Nicht daheim, und doch zu Hause kann man sich hier fühlen. Oder: allein, und doch in Gesellschaft.

Thomas Bernhard hat seine Liebe zum Kaffeehaus in „Wittgensteins Neffe“ auf seine unvergleichliche Art beschrieben: „Das typische Wiener Café, das in der ganzen Welt berühmt ist, habe ich immer gehasst, weil alles in ihm gegen mich ist. Andererseits fühlte ich mich jahrzehntelang, gerade im Bräunerhof, das immer ganz gegen mich gewesen ist (wie das Hawelka), wie zu Hause, wie im Café Museum, wie in anderen Kaffeehäusern von Wien.“



| nächste Seite |





Gut essen in Wien: Restaurant und Gastronomie Tipps sowie Empfehlungen - Trinken und Ausgehen in Wien: Restaurants, Beisl, Heuriger, Bars, Cafés und Kneipen für jeden Geschmack mit Kritiken und Bewertungen finden sie hier. Restaurants in Wien - suchen, finden und den gewünschten Tisch gleich online reservieren!